punkt.9

die bellenden wie an eleven/nine
und später auf der mauer deren stürmer:
das reich zurück im altvertrauten heim,
als wär’s wie blut und boden das der würmer.

was aus dem damals heute wieder kroch,
das ohngemachte deutsche ungetüm
war für die rachgesüchtigen der stoff,
der ließ als „volk“ sie werden ungestüm.

sie rasten, reisten, kletterten auf halden,
auf die sie selbst geschichtet wie einst leichen,
gehörend zu den jetzigen und balden.

vom „das“ zum „ein“, so völkisch ihre grenze,
sie stellten westwärts auschwitz’ rost’ge weichen
und war’n wie vorher wieder die gespenste.

(251109)

punkt.8

ein blatt aufs andere sich schichtend legt,
als fiele es und bliebe flatternd liegen
auf weiß vom blei(ch)gestift ganz steif bewegt,
den vers gleichwohl geflüstert und verschwiegen.

(Foto: Kai Zimmer)

zerriss ich es noch vor der zweiten strophe,
doch sammelte die fetzen wieder ein.
auf das terzett ich weiterschreibend hoffe,
als käme wahrheit noch wie licht hinein.

papier’ne stapel sich doch treulich fügen
im wind’gen wort um wort und vers um vers,
nur bisschen mehr verbunden mit den lügen …

es ist das rote blatt aus meinen reimen,
es saget nichts, doch war’s und ist’s und wär’s,
was aus dem meinen dunkel wird noch scheinen.

(251021)

punkt.7

das laub, erst grün, dann rot ins braun verschoben,
die kleine aster bunt, weil tief im herbst.
ich bleib’ mir selbst in meinem sein verbogen
als einer, der du selbst sich hat vererbt

dem grab zur lebenszeit, dem haus als bude,
verlegen tief versunken in das bett,
der eig’nen trock’nen muschi als ihr lude,
in dürre in dem selbstvergess’nem fett.

ich war, ich bin, ich werde sein ein bonbon,
die bonboniere für kartoffelchips
und flattere, woher ich kam von von-von,

daher und niemals damals, jetze, dann
bevor mich traf der schräg verschränkte blitz
zu fragen nicht, was wäre dann vor wann.

(251019)

punkt.6

das feuer und das wasser, erde, luft
im sich versehren eins ins andere,
zu viert verwandeln sich im herbst in duft,
durch den ich strauchele und wandere.

das feuer- und sein strömend wasserwerk
eins brennend, anderes erstickt in wassern,
das eine sich dem anderen verwehrt,
das wilde bar der deiche sich dem krasser’n.

ich brenne loh, im nassen suff ertrinke,
gelöscht, vom feuerwasser aus gemacht,
und send’ mit zitternd hand noch winke-winke.

ich fuhr hinab ins meer und auf in luft,
als hätt’ ich mich im sinken ausgelacht
so abwärts in der meinen tiefen gruft.

(251014)

punkt.5

du duftest noch wie blaue blum’ – durch draht
aus stacheln sinkt ein schiffchen aus papier,
wo eben noch gestickt ist eine naht
im sich verstehen zwischen dort und hier.

denn jetzt ist wieder nebel, asternherbst.
es ist und war nicht, wie es blieb und bleibt.
als ob ein charon kanu rüberfährt,
zerteilt die weichen wellen und die zeit.

als wäre noch, was nimmersatt schon war,
als zögen über engen himmeln flügel
von einer schwarzen vögel krächzend schar.

ein was auch je, das dann im schlingerschimmer
schmiegt grün sich, grau an seicht geneigte hügel,
was wär’ für jetzt nicht, doch im damals immer.

(251009, für rina)

punkt.4

schwankend segler zwischen windgemühl,
dichtend nur noch, wenn’s nicht anders geht,
wenn überbordend ist da ein gefühl,
das zwischen versen, zeilen in den’n steht.

anfang und beginn, den lass nicht enden,
warte, bis sich daraus bildet, was
wir fürs gedicht und vers und reim verwenden,
als ob wir noch an stiftes aderlass.

was waren thesen, die vermuteten,
dass sommer auf balkonen wir bewohnten,
als ob wir in uns gleich verbluteten?

denn wo und wann wir im gemäuer hausten,
zum himmel und zur erde abwärts schauten,
war’ns wir, die sich fürs erste, letzte schonten.

(250830)

punkt.3

das eigentliche heer kämpft drunt’ im kopf,
in leib und seele, anders drin als draußen.
ich häng’ der not an ihrem traur’gen tropf,
wo ich war innerer als ganz weit außen.

was aus mir werden würde: konjunktiv.
ich – weder kind, noch wiedermal erwachsen,
den himmeln jauchzend und doch erden tief
mein atem, herz und sein und sinn erschaffen.

„ich war, ich bin, ich werde sein“ – zitate
„ich kam, ich sah und siegte“ nimmermehr,
der zauderte und zweifelte und sagte,

zu tragen alle leichtigkeit und flügel,
dass eben die beschwernis leichter wär’
am grund und gipfel solcher hohen hügel.

(250709)

punkt.2

ich brems’, beschleunige, bin stillstand dann,
g-kraft, zen-petal – bewegung/ruhen,
frage nicht nach richtung und nach wann
zu komm’n und geh’n auf siebenmeilenschuhen.

was bleibt, ist nicht und dennoch wird es sein,
ist nicht, wie es bleibt, der weg, das ziel:
blüten blau’n zu himmeln hin zum schein,
als wären sie – zumindest waren – viel.

doch werden beete, gärten, wälder welk.
und bilder sind und bleiben, werden blind,
wie himmelbläue, wenn auf erden fällt,

ergraut in regnerischen schauerfahnen,
erbleicht im zug der wolken. und ein wind
geht schüchtern wie ein hauch zu seinen ahnen.

(250521)

punkt.1

„punkt, punkt, komma, strich – fertig ist das mondgesicht“

und wenn ich lege mich, dann fang’ mich auf
im grün drumrum der brav gestutzten hecken!
und wenn ich lieg’ schon lang, dann richt’ mich auf,
wo ich des herbstes rot kann noch verstecken!

als wär’ sich hinzusenken doch gerecht,
trag’ ich das brautkleid voller welker blüten
und hab’ geprellt, was ich im brast verzecht,
war hahn im ei, mir körbe zu erbrüten.

wo bin ich, wenn nie war und auch nicht werde,
und welche schäfchenwolke – ganz weit oben –
wird nehmen auf mich in die weiße herde?

ich leg’ mich auf die knie und weiter nieder.
ich habe mich an dir und mir verhoben
und werde wohl bescheidener und bieder.

(250410)