Archiv der Kategorie: 14punkt

14punkt #14

das licht, das ich am frühen nachmittag
im januar zum ersten mal erblickte,
war gleichfalls grau und bleich wie dieser tag,
als ob man’s in die dunkelheit entrückte.

denn daher kam ich: aus der tiefen schwärze,
in die ich einstmals wieder werde gehen,
als wären lichter fröhlich flackernd’ scherze,
wo noch im himmelsrund ich kann nicht stehen.

doch war im dunkel immer sternenlicht:
ein mond, der wird mich tränentreu belichten
mit sein’m von kratern narbigem gesicht,

und danach stets mich heller auszurichten,
gebund’ne rotation der schweren wolken,
die auf mich neblig scheinend schneien wollten.

(250117)

14punkt #13

es fällt ein letztes blatt auf meines nieder
und wird dann also darauf schrift. ein trotz,
als wäre ich nicht mehr, doch holte wieder
aus dem verschwinden nochmal meinen trost.

was darin ist gesaget und beschrieben,
es bleibt den liebenden noch unbekannt,
bis nimmer jetzt versaget und verschwiegen
und nennt sich daher außer rand und band.

das siegel auszulösen aus dem wachs
in les- und hör-, verstehbar buchgestäbe,
es sei vielleicht nur vor dem nachgelass

wie des gedenkens wirres spinngewebe
spannt seine fäden als ein pilzgewächs
durchs grab, das für mich war zum heil geschätzt.

(250101)

14punkt #12

ich zitt’re morgens, mittags, abends
vorm wild und wind’gen leben,
im zaudern vor der kraft des wagens
und werde dabei winzig und verlegen.

ich trink’ euch zu, ihr nassen tränen.
ihr schleust mich in das meer,
in dem ich müsste aufrecht gehen
mit rettungsweste hin, nicht her.

ich schwimme auf und schwebe
und möcht’ am korken doch ersticken,
wenn ich nicht trink’, doch lebe.

ich möchte weinen, mich ergießen
und mög’ im strom versickern,
bevor wir beid’ darin zerfließen.

(241206)

14punkt #9

ich kriech’ zum frieden,
kapitulation, die arme hoch.
das ist meine waffe, dass ich lass’ sie liegen
und leg’ sie in den schoß.

denn wenn du mich zerlegst,
neu im auseinand zusammensetzt,
hof vom fall’nden laub mir fegst
und zahlst und (unter-) schätzt,

was bliebe uns: zum spar’n ein schwein
aus erinnerung und leben,
nicht gelebt, so kommt’s herein /

hinaus in unser weben
dünner werd’nder fäden,
garnen eines nicht!: – allein.

(241125)

14punkt #8

die wärme mir von dem getriebe,
geölte verse, zeilen,
worin ich jeweils ’s leiden liebe,
weil’s eine würd’ dem anderen verzeihen,

dass es geschrieben steht
vor and’rem, also laut, weil leiser,
dass von den wiesen wörtern weht,
was macht sie nicht mehr heiser,

im schrei’n verständiger und sanft,
im wüten waffenlos und mild.
dass also ruht’ der krasse kampf,

dass außerdem würd’ innerdem
jetzt brüchig auch mein schild,
der fragt nicht, wer ihn hielte wem.

(241121)

14punkt #7

der vater, wenn er löcher verfüllte:
spalten sei’n nicht gut,
es dringe feuchtigkeit ein.
er war ingenieur für schiffe.

was, wenn er so die kluft verhüllte
und löschte vorsorglich die glut?
was soll nicht, darf nicht sein,
gefahr, das sind die riffe.

denn wenn die schotten brechen
wie damals, ist pommern in not
das einzige versprechen.

und schlagseite droht.
nichts bleibt, darüber zu sprechen,
wenn alles aus dem lot.

(241118)

14punkt #6

das lichtrad in himmeln,
das ein- oder andereslei,
sich drehen, verschwindeln
im tanderadei.

ich weiß von so vielem
und wenigem auch,
was wüssten die kiemen
und lungen vom lauch?

was atmet und riecht,
geschöpf in den spalten der mauern,
die dechse, die’s ei nicht verließ?

der wurm blieb zuhausern
und hörte das lied,
worauf wir noch lauern.

(241115, Foto: Kai Zimmer)

14punkt #5

wieder wahn, ich bin so kikkoman
in aller meiner würze.
ich asche maggi, knobi, lauch
in meine suppe, auf die schürze,

in tränen, trauer, grauen gram
und voller länge in die kürze
der ziggie, die verraucht,
bevor ich höher stürze.

die grütze und die sülze,
die ich mir koch’, in’n topf zu tröpfeln,
sie daraus auszuschöpfen,

die suppe auszulöffeln.
messer, gabel, licht
für mich dabei nicht.

(241108)

14punkt #4

der diggalog mit me, myself and i,
zippe zwischen lippe, hand aufs herz:
das ist meine pflicht zum nicht,
rück- statt vorvorwärts.

die triphop-tändelei:
inwieweit reimt sich laut
mein flüsterlicht
aufs spiegelecholot der crowd?

ich müsst’ mich katapultieren,
statt zu kapitulieren,
anpacken statt loszulassen,

aufbruch statt ankunft.
nicht berührt mich anzufassen,
das wär’ die große kunst.

(241105)

14punkt #3

ich wäre gerne anarchist:
kritik an dem, was ist,
wär’ dann mein bleiben,
doch ist’s nicht, wie es bleibt.

gibt es keine revolution,
weich’ ich auf in evolution,
hausverbacken in mein leiden
und unverbunden mit dem leib.

„heile, heile, segen!“,
flüst’re ich dem leben
ein und atme’s aus

in schwaden schalls und rauchs.
denen hingegeben,
bleibe ich zuhaus’.

(241030)