14punkt #3

ich wäre gerne anarchist:
kritik an dem, was ist,
wär’ dann mein bleiben,
doch ist’s nicht, wie es bleibt.

gibt es keine revolution,
weich’ ich auf in evolution,
hausverbacken in mein leiden
und unverbunden mit dem leib.

„heile, heile, segen!“,
flüst’re ich dem leben
ein und atme’s aus

in schwaden schalls und rauchs.
denen hingegeben,
bleibe ich zuhaus’.

(241030)

14punkt #2

kunst ist chaos
selbst in nächstem vers,
der aus dem cum off
in mich fährt.

kunst ist wo,
wohin gefragt,
bloß eine show,
gesungen, nicht gesagt.

im fall den schirm zu zieh’n,
den kugelschreiber.
dass’s blatt noch weiß – verzieh’n.

den stift nochmal gelieh’n
wie mir lebend’ge leiber,
als hockt’ ich nackt auf knien.

(241027)

14punkt #1

ich sitze auf einem stuhl
an einem tisch
als ein möblierter herr.
nicht genug gemischt,

um künstler zu sein.
überhaupt: das kunstding,
dieses sangsing,
macht nur ärger. bin darin

lügner und fälscher
im hochstapellager
(noch nicht mal) bei amazon.

mich fernhalten davon
sollte ich, nur steht es hier
und kann nicht anders.

(241026)

wirr #42

den mangel setz’ ich gegen fette fülle –
wobei: vielleicht doch anders umgekehrt.
der körper ist mir nur die leere hülle,
wenn’s rund läuft, ein geduldiges gefährt.

ins dunkel immer wieder statt ins helle
glimm’ ich und trage weiß die graue schwärze
hinaus ins freie, mich aus meiner zelle,
wo flackernd funkt in mir die wunderkerze.

warum, so frag’ ich, dieses stets vertauschen,
dies ins verschraubte zwirbelnd mich verbiegen,
warum gedicht, statt nur dem wind zu lauschen,

wie er in blätter bläst sein wildes wehen,
in dem sich die verzweigten verse wiegen,
als stünd’s mir an, zu bleiben statt zu gehen.

(241016)

wirr #41

ein leichtes weichgefühl, wenn blätter wirbeln
im ersten herbstwind – mond so hoch, fast voll –,
als wäre nichts als das dem freien willen,
als wäre ich zentriert, nicht wirr und toll.

gedanke hier, gefühl – erdachtes – dort,
im fall vom tisch – delete! – die blätter wispern
vom sich verdichten als bewegungssport
und wie die blätter, wenn sie stürzen, lispeln.

vom denken ins gefühl, vom schlaf ins wach,
vom in das hin und weg aus dem woher
mein bauernopfer, wirr und matt im schach.

die blätter fallen, doch die knospen kommen,
die ich mit blüte und der frucht beschwer’:
gedicht, das macht vorher mich schon beklommen.

(241016)

wirr #36

mein land: ein grabgestein in neuen mauern
(den alten sowieso) und wie ich welk.
die allianz von arbeitern und bauern,
von faust und denker*innen stirn zerfällt –

zerfiel, um es genau und sozusagen.
was jetzt daraus erblüht, d’raus kriecht und knospet,
darüber nur zu klagen und zu zagen
reicht nicht, wenn nun aus herbst der winter frostet.

mein land, mein herz, mein mund und meiner seel’,
was bleibt dem auf- nach vorher untergang,
wenn ich auf beide kaum bis nicht mehr zähl’?

vielleicht, mein land, dem ich erzähl’ geschichten,
deine, wie die meine drin begann,
sie in dir selber kündend einzurichten.

(241003)

wirr #35

ich kann mich dazu führen, hin zu schweben –
mit allerlei substanzen, worten, schrift –,
doch nicht gelingt es mir dabei zu leben.
ein jenseits führt mir schon zu lang’ den stift.

versunken nennt sich mein gefühl, gefahr
ist dabei jeweils öfter im verzug.
ich werd’ im trenchcoat meiner selbst gewahr
und bin als mein agent voll lug und trug.

ich sage nicht die wahrheit, nicht mal mir,
ich steh’ am abhang, schaue hoch ins tief
wie ein auf seiner jagd verlass’nes tier.

ich helf’ mir auf und stoß’ mich wieder nieder
als wenn als wach getrösteter ich schlief
und spielt’ auf deinen lippen meine lieder.

(240929)

wirr #32

das gedicht schreibt sich durch mich hindurch,
ein selbst mit eigensinn schon im beginn
des ersten worts und vers’ und ohne furcht,
zu scheitern an verstand, diskurs und sinn.

das gedicht ist auch ein spiel mit worten,
ein lego, tetris, was wohin nicht passt
an grammatisch richtig falschen orten,
wo der gedanke bleibt noch nicht gefasst.

das gedicht wird nicht bloß hingeschrieben,
man sagt, so sagen sie, es wird „gemacht“
aus etwas seltsamem, das bleibt getrieben.

das gedicht ist not und wendigkeit.
aus beiden mehr gefühltes als erdacht,
macht es sich schreibend zwischen zeilen breit.

(240925)

wirr #31

ein klavier am weiter off’nen fenster,
die ungespielten saiten still im rost,
wo auf das fenster heinen sich gespenster
und auf den rost auf saiten englisch „lost“.

ein klavier, die tasten eingeschlossen,
unberührt von ihnen auch die finger,
unerblüht auf englisch bleibt „the blossom“,
stumm und hinter ohren grün „the singer“.

die off’nen fenster schließen um zu blühen,
die klappe öffnen, um’s klavier zu spielen,
oder doch nicht tun statt bloß zu glühen?

unberührt bleibt deine stille not:
die worte wuchern wie am finger schwielen
und blüten, die verblühen rostend rot.

(240924)