12 Fotografien / found footage / 30 x 20 cm / handelsüblicher Fuji Colorprint
Idee und Inszenierung: ögyr (Jörg Meyer) / September 2022
Kieler Ateliertage
24.09. – 25.09.2022, 11 – 18 Uhr
Zimmerstudio (Pumpe, 2. OG, Kiel, Haßstr. 22)
BRB (Be Right Back) ist ein typisches Kürzel in Online-Chats. Es bedeutet kurze Abwesenheit – „Bin gleich zurück“ –, also dass der/die Chat-Partner*in den Chat nicht beenden möchte, sondern nur kurz mal weg von Tastatur und Kamera/Bildschirm ist, z.B. um sich einen Kaffee zu holen.
In dieser Foto-Serie sind Screenshots zu sehen, die als found footage auf chaturbate.com aufgenommen und nur leicht bearbeitet (z.B. Entfernung von Schriftzügen oder Logos) wurden.
Chaturbate (Kofferwort aus „Chat“ und „Masturbate“) ist ein Cybersex-Portal, auf dem sich Frauen (seltener auch Männer) bei sexuellen Handlungen selbst filmen und dies live streamen. Die User können dabei nicht nur zuschauen, sondern auch mit den Broadcastern (und untereinander) chatten, öffentlich oder (dann kostenpflichtig) auch „pvt“ (private). Ferner können die User per (kostenpflichtigem) „tip“ einen „lush“ (ans Internet gekoppelter Vibrator) steuern.
Die „Sitzungen“ dauern z.T. mehrere Stunden, zwischendurch machen die Cam Girls immer mal wieder Pausen, während derer sie die Kamera weiterlaufen lassen und den kurz verlassenen Arbeitsplatz zeigen – ein zerwühltes Bett oder einen Gamer-Stuhl, z.T. wird „BRB“ über das Standbild laufend eingeblendet.
Die hier präsentierte Arbeit beschäftigt sich mit eben diesen „Leerstellen“. Sie zeigt die Arbeitsplätze als benutzte Orte, als „lost places“, die kurzzeitig ihrer Funktion enthoben sind. Was passiert im Betrachter, wenn er auf die Fortsetzung der Show wartet? Worauf wartet er? Was leitet er aus der vergangenen und noch in Spuren sichtbaren Nutzung des Ortes her, was erhofft er sich? Was fantasiert er?
Die hier in ihrer Pause abgebildeten Orte sind Sehnsuchtsorte. Sie sind banale und zugleich geheimnisvoll erregende, vor allem aber leere Bühnen. Projektionsflächen für das, was an ihnen geschehen ist und geschehen wird. Sie wirken privat, intim, gaukeln Authentizität und Individualität vor, gleichzeitig sind sie teilweise sehr ähnlich inszeniert – oder auch: von den Spuren der Inszenierung in ihnen, die kurz pausiert, gezeichnet.
Eine weitere (Über-/Meta-)Inszenierung besteht darin, dass sie hier an einem Kunstort dekonstruktiv re-inszeniert werden.
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