sump – oder gespräch über bäume

 

1

so tief wie wieder in den sumpf
das einverständnis,
zu sein, was ich auch bin
oder nicht. eher bricht

so hoch im himmel
all das ausgedachte,
nicht mehr so zu sein,
auf erden eher und zudem.

so versunken wieder,
aufgetaucht zugleich:
kopf im überwasser
wie beim schwimmen.

so eingedenker dessen,
was ich dachte,
entflammt für das
entflammbare.

so müde allen schlafs,
wacher und verglimmter träume
von all euch,
die geliebt ich.

so eben und doch damals,
heut’ und gestern gleich
und über allen zeiten
in denselben reich.

so süß die frauen
in den foren,
unverfroren kommen sie
ins blitzgelicht.

so sang, so weib und …
was war das gleich, das dritte?
ja, zuerst
im wein und weinen.

so grimmig, grätig,
fisch, nicht fleisch, im wasser,
sich in die fülle
zu verzichten.

so aufwärts wie zugleich
wieder abwärts das vertrauen,
in beider richtung
hingerichtet aufzugehen,

so oder, aber weder
noch zu wehen
die fahnen in den wind
und wie das licht schreit: „leucht’!“.

(230423)

 

2

schwanken auf dem sich’ren boden,
dort nur ist’s erlaubt,
ansonsten festland statt der insel,
dock statt off’nes meer.

and’re wahl: schwemmland dort voraus!
schwimm’nde bojen back- und steuerbord
vom fahrgewässer, solidarisch euch
die ihr eintaucht in die flut.

„hinten komm’ auf auf fünf“,
vorne unten … zehen lackiert:
ein letzter seiner art und „generation“,
dichter*in barocker meisterschaft.

immer ins ewig verspätet,
am morgen zu früh wach,
als die nacht noch wich
ins düstere erhellte.

„sing’ndes schraubengeräusch“,
unwucht der welle und
sturzflut ins offene herz,
wo’s sich reimt auf schmerz.

wo eine villa kunterbunt ist,
ist ein schleich- und scheideweg.
auf ihm noch u[n/m]gekehrtes laub
vom herbst, darüber knospen

an den zweigen,
gerade noch sich neigend
von schwerer frucht
und seichtem schnee.

denn wo ist eis
im sommer und der staub,
den ich verwehe
aus der trunk’nen trockenheit?

(230427)

 

3

partikel, nicht mehr zu verwenden:
„so … wie“, „jetzt“ und „ewig“ …
kein sex mit ex und worten
und nicht „hexen“ fürs gedicht,

nicht mehr stille stile reiten,
statt den stiel als wanderstab,
aufgebrochen in den weg gestochen
und die beine breit zur hand.

aus versehen zu verwesen
am lebendig leib?
nicht option!
hoffnung indes schon.

ernst in jedes füllwort allzumal,
süß hinein in jede bitterkeit.
ich hab’s getan, es tut mir leid!
und nicht: „ich bin es nicht gewesen.“

(230427)

 

4

dichten ist, die silben zu vergessen
und die wörter und den vers,
den reim und drumrum klimpern
und läuten, wem die glocken.

schreiben ist, ins buchgestäbe
und dahinter zu verschwinden,
zu sagen, was ich weiß,
auf alle fälle nicht.

besser auszusetzen in den pausen,
verschweigen, wem zu sagen,
was ich wohl gesagt,
darüber, ach, zu schweigen.

unverwandter mich, ach, selber
zu betrachten, weiter für das außen
als zuhause mich
curvy rund zu bücken,

aufrecht gehen und nicht widerstehen,
wessen nichts im gegensatz.
aus der not geboren
und ins glück gestorben.

(230427)

 

5

das neue kind willkommen heißen,
wie macht das der, der geht,
ins gehen inbegriffen, im aufbruch?
er schreibt bewegung hin, obwohl er steht.

und stehen bleibt im gehen
voran, zugleich zurück
der fahn’ im wind des herbstes ’89,
denn „wirr ist das volk“ als jeweils ich.

wie geht der eine,
wenn einer kommt?
wie kommt einer,
wenn alles geht?

das alte kleid vergessen lassen,
ich pass’ – gerade mal — in die alte
„übergangsjacke“,
lange vormals 90 kilo.

das neue kind aber
an den nährenden brüsten,
die welt aber
in es gerettet.

(230428)

 

6

sommersondenwende

die sonde sehr nah an der sonne,
der mut im licht des mondes,
die erde tief in derselben,
kern, nach außen drängend.

was zeigt die sonnenuhr?
die gleichsam wahre zeit,
sich schlafen zu legen
in den untergang.

im verschwinden das aufgetauchte
zu entdecken, das überwasser
tief im strudel,
dort mit zirkel kreisend.

zu wissen, wo das licht,
setzt kenntnis über dunkelheit voraus
und umgekehrt
ins licht als dessen gegensatz.

die sonde in die sonne,
penetration, einschuss
mitten hin
in den vorbeiflug.

(230429)

 

7

für M.M.

die nicht gesehen werden, sehen
die sehenden, die nicht gesehen werden:
arbeitshypothese in der
arbeit mit der therapeutin.

der diskurs aber mit ihr –
über den narzissmus des veröffentlichens –
wird zunehmend philosophisch.
ich reiche ihr das wasser,

wasche ihr die großen, sweeten füße,
sinke hin in blicken,
taue auf, wenn ich das wort genommen,
weiß was mit SEXtanerschnippfinger.

nur: wohin mit der romantik,
heimlich küssen im kino …
… und so … fummeln
ersatzweise am kinosesselpolster?

die nicht sehenden
folgen blind der spur
der nicht gesehenen
ins begehren.

(230502)

 

8

das elfte gebot:
du sollst nicht veröffentlichen!
das zwölfte gebot:
du sollst es für dich behalten!

das dreizehnte gebot:
du sollst
– eventuell nicht –
hinter dem text

verschwinden, beachtend
das vierzehnte gebot,
dass gesagt werden muss,
was nicht zu sagen.

das fünfzehnte gebot
wird daher verschwiegen,
bis das sechzehnte gebot
fordert: „wir müssen reden!“

das siebzehnte gebot indes,
vorvorvorletztes der zwanzig gebote,
die moses vom berg brachte,
weiß von nichts,

wär’ da nicht das achtzehnte gebot:
du sollst eher etwas
als nichts schreiben
vom neunzehnten gebot,
das da lautet:

lass es aus und werde zwanzig,
reim’ den gdanske
ruhig auf danzig,
sing’ aus vollem halse dein gdicht!

(230502)

 

9

ich bin gerade mal wieder,
woher ich kam und
wohin ich nie
kommen wollte.

nun ja …
manchmal kreise ich halt
im kreise, ecke ich an
im viereck des zimmers.

wollte gerade sagen:
„der zelle“. aber
mit gefängnis hat das
weniger zu tun als mit freiheit.

freiheit, die mir nicht
gut tut, ich brauche die pflicht
(und (manchmal) deren missachtung)
als zaun, mich zu zähmen.

(230502)

 

10

widerwesen
achtsam um halb acht,
wenn die sonne steigt
auf den balkon.

widerseele
auf der wacht,
würd’ geliket
als ein ballon

mit heißer luft
od’ helium
gefüllt, spezifisches
gewicht der jeweils gase.

widerwillen,
wenn ich schweb’
und fliege
durch die träume,

MAYDAY wär’s,
triebwerk brennend,
seitenruder flennend,
weil’s nicht geht.

(230504)

 

11

intermezzo, „dichterliebe“ –
„immer dies geküsse“,
greint die mit den schönen
füßen im wasser,

vom boot aus in den teich.
ihr leib leicht nach hinten gebeugt,
sie streckt sich wie auf der schaukel
(der streckbank). und ich rud’re.

schwingungen, perpendikel,
harmonischer oszillator,
schon beim pendeldupel
dringt das chaos ein,

die (mathematische versus
wirkliche) unbeschreibbarkeit,
dies wundern, staunen,
… sehnen.

(230505)

 

12

„not for me!“ (ögyr)

„messer, gabel, schere, licht
sind“ „nicht für mich“,
das feuer nicht,
weil es verglimmt,

verlöscht,
verbrennt,
entgrenzt
selbst den verzicht.

auf einem foto kann man
sonnenauf- und -untergang
kaum unterscheiden,
dennoch ich für mich,

weil des frühlings aufgang bleicher
als der herbstlich niedergang,
weil die wasser umso stiller,
als sie tiefer sind.

und wolken tiefer hängen
als geschätzt, wenn
wind sie treibt
nur rascher.

all das „nicht für mich“,
nur aus sich selbst.
doch ich erkenn’s,
aus mir herausgespiegelt.

(230505)

 

13

das buchgestäbe brennt, zerbricht,
doch was es spricht, vergehet nicht.
was nieder ist geschrieben, bleibt in aller welt,
selbst wenn es in die asche fällt.

durch all die kartenhäuser rennt die flamme,
in luftes schlösser fällt die bombe,
zur schnitterin wird ihm die amme,
zu textes hohlem zahn die plombe.

wo blätter brennen, brennt die sprache
ihr brandmal zündend ein
dem acker wie der brache
und allem vielmehr schein als sein.

vielleicht, so ist die frage,
ob brennen muss für etwas schrift,
für untergänge in der kenterlage,
wo der bericht ist textes einz’ge pflicht.

(230510)

 

 

14

ich war und bin es – weitergeh’n! – ein monster,
trunken stets und dichtend.
als unter tausenden millionster
„entmonstert“ werden, schlichtend

das garstige zum lieben wort.
aus sturz und schrei in das gesäusel
zu finden – sich’ren port:
statt schrecklichem ein schneck-gehäusel

ist immer wieder mich verstecken
und verdrängen hinter linsen
und unter dichten hecken
mich auf die leinwand pinseln

in wasserfarb’nem aquarell
aus bunter buden regenbogen,
damit ich nicht zu farbig schnell
mich in mein schattenweiß verschoben.

(230510)

 

15

versüßtes am lollipop saugen und sagen und singen
und unten im dunkeln, wo besser ist schweigen und munkeln,
von solchen, den säuselnden, statt der sausenden stimmen,
verfeinert das pendel, wo wir drum herum uns betrunkeln.

wir feiern das gleiten, vielmehr noch das rauere, gröbere,
das was nicht geschrieben, geschweige gesagt und gestanden,
dass ich darin forsche nach einst und jetzt selb’ges erstöbere
und wo wir in dämmerung früh war’n vorhanden.

in diesem zwei zu eins mich bindend spalt
werd’ ich nicht jung, doch werde älter noch als alt,
die alten würden junge jetzt begrüßen.

ich war dir wärmer noch als halbwegs kalt,
ich konnt’ nicht lassen von dein’ schönen füßen,
die sänften mich, damit dir gefußnotetes schallt.

(230515)

 

16

darüber bin ich nicht gewesen,
davon mich gemacht.

von außen umgehen die stimmen
der anderen dichter und -innen,

verinner.lichter.glanz und ohren
zersibelten gehörs.

die bilder im innern so taub,
doch im außen plakate geschaut.

ich sehe, also bin ich,
beides nur nicht in mich und in mir.

bekanntes verkantet, ein kreislauf
g’rad noch fluider thromboyz.

bemerke, dass (sozusagen) plötzlich
ist alles ergrünt an einem

„ersten tage des frühlings“ –
zitat: siehe mein werk.

ich liege im stuhl
vor dem balkon

oder an den wasserspielen babylon,
am teich, zu den mädchen hinüber.

(230517)

 

17

in meinem ozean versunken
aus feuerwasser, wovon die irdene luft –
„zwölf zoll tief [heute] das luftmeer“
weder weiß, noch ahnt.

meinem geheimnis
bin ich kaum zaudernder zauberer,
wissend von der wirklichkeit
nur [stabreim drauf gemacht] wenig.

(230519)

 

18

geplant war „ein gespräch über bäume“,
„in diesen zeiten“ [nicht (unbedingt)] hilfreich,
einfach nur „achtsam“ schauen,
wie bäume im park

DA sind.
nebenAN aber
feuer und wasser,
die feinde der bäume

wie auch der deutsche wald,
dies’ eichenlaubene
mit schwertern
und brillanten.

ver- versus entWURZELung,
frühlinks zur photosynthese
statt schwarzwalduhr,
dir mir den kuckuck klebt

in der herbst-„hälfte des lebens“,
die konten eingefroren
im winterschlaf
on the rocks.

geplant war ein gespräch
über hecken, gerade geschnitten
wie mein bart beim barbier
zu hiphop und männerdüften.

geplant war „auftauchen
aus der flut“, in die IHR nicht
versunken seid, ich aber,
surfer auf tsunamis –

genauer: stürmen im wasserglas:
wenn im kaffee danach
die hafermilch maelströmt
wie der rauch von der zigarette danach.

(230520)

 

19

die kleinen freuden (be-)achten:
am abend, frisch gewaschen
und gerade getrocknet,
vom wäscheständer gepflückt:

das schwarze t-shirt, ein bisschen
klamm auf der haut. berührungsstoff,
klammer weiter umarmung und
riecht nach irgendwas mit blüten

mir verblüh’ndem voran,
als wäre die KI-butterblumenwiese
ganz zimmer und nicht weit
im frühsommer vorm balkon.

(230523)

 

20

einsicht, daher absicht:
für jede einzelne bin_ich nicht gut,
dann will ich es wenigstens für_alle sein.

immer niemals doch noch wieder
dieses oder aber nicht_
_mehr doch schon,

oder aber niemals immer_wieder
dieses wenn schon jetzt nicht,
dann gar nicht_mehr.

ein übergang, eine interferenz
zwischen gestern und morgen,
die (nicht) heute ist.

eine schnittmenge unterm durchschnitt,
in der mitte nichts,
an den grenzen fülle,

morgen und abend,
aber mittag nicht,
da halten weise siesta.

end’ und anfang, eben nicht
der weg_ohne
_ziel darauf gemalt

als mittellinie
zwischen den leitplanken
links und links.

einsicht, daher absicht:
aus der begrenztheit, dem mangel, der reduktion
die weite_gewinnen.

(230526)

 

21

das licht macht
der letzte edle tropfen aus.
fenster, vor denen schnee fällt.

eine infusion aus 500
millilitern tränenflüssigkeit,
transfusion von körpersäften.
„unter deinen schirmen
bin ich vor den stürmen …“

nicht IN die gänge kommen
und nicht AUS den puschen,
„trunken stets und lüstern“.

sich etwas von der seele reden,
sich etwas aus dem kreuz leiern,
sich etwas aus den fingern saugen
oder aus den rippen schneiden,
(sich einen von der palme wedeln).

auf etwas verzichten,
um etwas anderes zu gewinnen:
widersprichwörtlich.
kant und die „schöne pflicht“,
ohne verzicht ist sie’s nicht.
sich öffnen für den mangel,
darin in fülle kommen.
so gesehen ist „mangelhaft“
ein „sehr gut“, revolutionär
„vom kopf auf die füße“ gestellt …
so weit dieselben tragen
auf der flucht

zu schlössern, die sich in luft
und liebe auflösen
oder zum „nassen grab“
ertrunkener seeleute.

(230527)

 

22

hunde, sagt man, seien glücklich,
wenn man ihnen erlaubt:
… zu gehorchen. der paradoxe befehl:
„ich befehle dir, mir nicht zu gehorchen“,
wäre für sie „ein hundeleben“.
sie aber sollen …
„auch nicht leben wie ein hund“.

(230528)

 

23

südseesang /
möwenmove /
sonderbehandlungsverordnung
angeschlagen an der litfaßsäule /
säulenheilige
das „salz in der suppe“ /
sind auf- und untergang
oder mittag und mitternacht die wendepunkte? /
die so genannte „westsee“
fehlt im wortkreis,
es sei denn im dänischen. /
behandlung von sündern:
„wie auch wir vergeben …“ /
„wo ist die zeit
bloß hin?“ bezeichnet keinen ort,
zumal wenn zyklisch ge*erzählt
/ wird in dem*n paradies*en
auch gesungen werden?
oder ist’s der dichter*innen groove,
der blues, so blau
wie sie und – manchmal – /
das meer, der planet und der himmel?

(230528)

 

24

neuerdings spreche ich ikarussisch:
auftrieb ab v_0, abgehoben ab v_r.
ich ziehe die машина hoch,
das fahrwerk ein, klappen null …

denn ehedem dädalüsterte ich
allzu erd- und fassverbunden,
mehr ein gleitend almabtrieb mit glocken
um die hälse der „non licet bovi“.

jetzt aber hänge ich die fahnen
wie die segel in den wind,
in „fuseliges himmelsplankton“,
langes „uh!“ beim laut KLAVKI deklamieren.

(230528)

 

25

editorische notiz:
manche der hier veröffentlichten gedichte
sind so sehr dem millisekundenaugenblick verhaftet,
dass es sich eigentlich nicht lohnte,
sie aufzuschreiben, aufzubewahren und auszudrucken,
wäre da nicht die einsicht,
dass ein SNAPSHOT eher mehr zeigt
als das PANAROMA des voll*verständigen.

(230528)

 

26

„denn ich habe dich bei deinem namen gerufen”

ich rufe auf:
einen rettungsring,
eine boje, unter ihr tiefes wasser,
eine havarie, unentdeckt:

buchse macht stark wasser,
wieder einmal: „trunken stets …“
den duschstrahl morgens
lange, bis zu heiß,

denn sieden ist es dort
und nicht erfroren,
gekocht gesund,
feuerwasser luftgeerdet.

taue knarren, anker auf
und ab, die segel hart am wind
unter schwerlast
(„auf biegen und brechen“).

ich klage an:
all das – aber auch nicht,
ich stimme vielmehr zu,
mein herz im selben takt

der wellen, der fische
im schwarm, der
schnecken am grund
(schnarchen im bett).

oder aber ich taue auf,
entrinne der eiszeit
mit dem eis in den (fern-)gläsern
und mache auf frühling bis zum sommer.

nein, bis zum winter,
„wenn es schneit“
und wie es war so finster
bleibt und bleibt und bleibt …

(230602)

 

27

der tänzer*innen stummer
tango und takt nur im kopf,
herz und füßchen
und auf den stummfilm-geschminkten lippen.

was ist sehnsucht?
kommt nicht von suchen,
sondern von siechen.
ich aber sehe sehnen als suche.

die choreografie des kusses:
langsame annäherung,
das magnetische, dann wie abgestoßen gleich:
zweizehntelsekunden berühung;

nicht wie in filmen,
sondern die umarmung der stirnen,
der zu hilfe genommenen vorhanden,
zartes streichholz auf den wangen.

das ist der sehnsucht,
aus der das meiste folgt,
manifest und prophe- und verzeihung
mit off’nem mund vor lust und schmerz.

(230603)

 

28

die plautze unter blüten:
rausch, rausch, rausch!
die pleuel, wenn sie wüten
in kolben doch als plausch.

der nabel in der sonne
an feinripp-t-shirt-naht,
dass ich daraus entkomme
in nutzen und nicht schad’.

das wesen durch die nächte,
das aus den flügen fällt
sehr tief in meine schächte,
in welche stürzend ich gebellt

das wow! wow! und das oh!,
die zähne fletschend,
gegrillt und gleichwohl roh
in mir mich selbst verletzend.

die blüten aber – aleoweh! –
erblühen, wenn sie stürzen
auf deinen zeh
und in die schürzen.

(230605)

 

29

im garten: grüngürtelhandtuch
über die liegestühle gelegt,
ort: hier und jetzt.

töpfe über den zaunrohren,
thymian in trockenbündeln,
schwarze polster im sterblichen sonnenschein.

saure kirschen zu süßen aufgepropft
an den stämmen artgleicher bäume:
beruhigt der biologe.

wir grillen mit der energie eines powerpacks
die untersetzten roten würste
und die dürren hänselgretelfinger thüringscher art.

thymian, salbei, der sang der späten vögel.
auf dem nachhauseradwanderweg
die beischläfrigen frauen:

slalom zwischen schenkeln,
gierig abwartenden taxis,
nicht flackernden lichtergirlanden.

im garten, jetzt in der sommerdämmerung
das nicht rosten verzinkter gießkannen.
„natur ist auch eine kultur“,

sagen wir über zu aufwendig singende vögel,
zecken ohne augen, aber mit sicherem geruchssinn
und die mücken vom nahen teich.

(230608)

 

30

dies ding mit den pferden,
wo der prinz der prinzessin nachreitet,
weil ihr fuß in den schuh passt,
wo sie, während die rosse schnauben

vor erschöpfung in die flucht
schlägt alles, was wäre zu hoffen
an den stränden trotz
der deiche gegen die flut.

mir gestehen, dass sie
zueinander nicht gestanden
hätten, weil aber und
sowieso: verstrickung der halfter.

dies ding mit den liebenden,
„zwei königskinder“ und so,
dies grimme-märchen-preis-hafte,
dass der gewinn ohne verlust nicht ist.

dies ding mit schicksal und so
will ich gar nicht so hoch aufhängen,
aber mit dir ganz gewöhnlich
„all diese küsserei“.

das ding mit der sehnsucht
ist’s ja letzt(end)lich
zwischen erfüllung und verzicht,
letzteren aber nicht anzuhalten.

(230609)

 

31

maßnahme gegen die maßlosigkeit:
den überfluss in überdruss verwandeln.

grashalme einzeln kürzen,
immer auf dem weg der maht mit sense:

aufgabe gegen das aufgeben:
annehmen wenigstens als annahme.

angenommen, es gäbe etwas
gegen das aufgeben, so wäre anzunehmen,
dass es eine aufgabe ist.

angenommen, es gäbe etwas
gegen das aufgeben, so wäre meine aufgabe,
es als solche anzunehmen.

oder eben ausnahme,
die die regel nicht bestätigt,
sondern IST.

die impotenz der revolution
gegen mich selbst
als unterdrückungssystem

indem ich jede*n tag*nacht
als außergewöhnlich empdefiniere,
lässt sich die ausnahme einnehmen
für den stetigen fluss,
es fließt, ich muss mich nicht bewegen,
nur treiben lassen von meinem trieb,
dem antrieb des auftriebs.

ich krieg
keinen mehr
hoch in frieden

angenommen, der anfang
kommt nach jedem dochnichtja
erst am ende,

so wär’ dies’ scheitern
gar nicht end-, sondern anfangsgültig:

quasi eintrittskarte
statt entlassungsschein
die maßnahme (dann):
kalkgrube

(230616)

 

 

32

„say my name, sun shines through the rain”

posing poem,
rote romantik,
schwarze schwere
und dagegen ich begehre
frozen foam,
behütete haut,
leichte lichter.

das ganze gedicht
eine eichtheorie der snapshots,
erzählend vom tage
und den verbytenen nächten:

klassenfoto am geländer
einer verrosteten investment-anlage-brücke:
die und die, in die verliebt ich hätte mich vorstellen können,
der und der, bei dem „freundschaft!” hätte bleiben sollen.

und ich unanwesend kluge-freundschaft
so groß mit brecht und bach,
mit allen, die so viel weiter
als im gedicht ich gedacht,
ich einziges „ach!”

und was hätte gesprochen werden müssen dagegen,
zu sein, was ich jetzt bin:
outflowinner in ruinen,
the millions’ dreams
nicht mitgeträumt,
kränkelnd und gekränkt im wach.

apropos: „6 gegen 60 millionen“.
apropos: diasporashowtime!
apropos: adagio …

der chor, die männer in freizeit-casuals,
die frauen in sommerkleidern weich geschwunger zeitlupe,
eine mit schwangerem bauch …

ich sagte und sprach also und plapperte nach
von hoffnung der widersprüche
und „utopie“.

und vom leisen jubel in den träumen,
als sie mich berührte
und ich so sehr an mich hielt,
umarmte in panik die sehnsucht:
jetzt nicht kommen zu früh!
aber ich möchte so gerne!
doch ich muss gehen.

(230618)

 

Links:



 

33

schnapszahl herzherz,
speer und spitze links,
derweil die revo die sonnenlotion verschmiert.

immer ist situation „mangelhaft“ und „ungenügend“
mit „setzen!“ fünf und sechs
den fünfzehn punkten überlegen,

weil zu überlegen ist, ob die ehemals ersten
die letzten sein werden, wenn die letzte die erste
generation ist an der spitze der [r]evolution.

mein bart marx-weiß, statt eh’dem mauerblümchengrau,
nochmal den collage-klebstoff zur hand
nehmen und die nagelschere zur fußnotenpflege des systems.

bingozahl und viele sein als einzelner
in der klammheimlichen vorfreude
auf das brennen der SUVs nicht nur auf sylt.

ja, ihr dürft das als aufruf lesen,
paragraphenhengste sattle ich
auf 129a und absatz fünf.

(230621)

 

34

„denn das gesetz des geistes hat mich frei gemacht von dem gesetz der sünde und des todes“

ihr aber, die ihr auftaucht aus dem finst’ren
ins licht, gewähret mir die bitte: in dem bund
ich wär’ der dritte, seel’ wie ihr mit fenstern,
entronnen wie ihr vielen selbst dem schlund.

ihr, die ihr hängt die fahnen in den wind,
damit sie flattern in die richt’ge richtung,
wo ihr noch seid, doch ich neust nicht mehr bind’
und knüpf’ die silben zu der verse dichtung.

euch schließ’ ich mich, kolonnen, karawanen,
an und bin dabei und bin verbannt
auf standspur eurer gnaden autobahnen.

ich renne euch davon und überhole,
ohne einzuhol’n, wonach gerannt
ich nie, verbrannt zur asch’ zuvor die kohle.

(230625)

 

35

 

35.1

im sommerregen,
der dicht in fäden
herniederstürzt,

werden die möwenküken –
noch grau – vom dach gegenüber
krähend flügge.

breiten schwingen und die
aufgeregten stimmen
über den hinterhof, dort wo

die mauerfugen erodiert
sind wie im mund der
schlothohle zahn.

 

35.2

vor ein paar wochen: zierkirschblüten
mehr auf den weg hingestreut
als noch an den ästen – rosé.

meine entfernte freundin indes
zeigt mir die prallen rosen in ihrem garten
auf facetime:

wacklige kamera, sie schwenkt
auf die katze, die ihr
zärtlich um die füße streicht.

vor ein paar jahren: kirschzitat
am selben ort wie jetzt,
etwas früher im jahr, noch knospenaufbruch.

 

35.3

im bus schaust du nach draußen,
wie der straßenrand vorbeieilt.
kräuter im rinnstein,

in den fugen der gehwegsplatten.
jetzt im sommer viel
weiteres diverses grün

am so genannt wegesrand,
einiges allerdings rings
schon verdorrt.

es sei denn ein regen
macht tiny teleskoplinsen
auf die scheiben.

 

35.4

der hain. über die straße vor dem haus,
dann an den häusern mit lauben-
gängen vorbei bis zur nächsten

ecke, kurz davor grünstreifen:
eine passantin mit hund
und barfuß, schwarze sohlen.

wie gewohnt „schweigt der sommer
von weit“, kuschelt in den schatten der bäume
jetzt am späten abend.

auf dem weg zum laden –
titanic-länge-weit –
wo ich tomaten und byebyesilikum kaufe.

(230629)

 

 

36

heckenrosenwegesrand,
dessau, „auf der haide 28“, ehedem
und die beete von erdbeer und kohlrabi.

das war (mal) wirklicher als
die koje, relativ beschützt
in einem u-boot.

die hochhäuser in der vorstadt,
die ich vom bus aus sehe,
dazwischen die mit achtsamkeit

zu registrierenden bäume,
ebenso die grünstreifen
aus so genannt unkraut

neben der straße, vorbei-
huschend, unbemerkt
wie ich mich fühle.

am nachmittag hatte die
physiotherapeutin mir mit sanftem
druck den rücken durchgebeugt.

der zärtliche schmerz bei
überhaupt – und die lust, ja! –
berührung.

meine hand am wegesrand
streift wie in der eingangsszene
von „gladiator“ durch irgendein

getreideltes gras … oder in der heide
durch violette muschi-menuette,
wenn SIE tanzt.

(230703)

 

37

 

37.1

schon paar gedichte lang
(selbst-)gespräche über gras und bäume –
und über (stroh-)halme.

„oder“ und „aber“ dabei meine liebsten konjunktionen,
obwohl die knospen brechen
meines blätterfalles litanei.

schon paar jahre lang
therapiegespräche über was ich fühle
im wald vor lauter bäumen taub.

schon paar takte lang
in diesem lied
etwas klingt wie trost.

 

37.2

yoga über kopf
wie eine marianette hoch
und maske ungezogen.

ach, häng’ mich auf,
da ich häng’ an dir:
seilschaft am steilhang.

kissen unterm kuss,
ich press’ ihn mir
und dir ins gesicht,

dass wir verstummen
oder singen
durch den schlitz.

 

37.3

außer abend nichts gewesen
dort im tag, wenn fällt
der vorhang nacht.

verspätet und zu frühe
stehen, wart’ auf acht,
wenn tagesschau gesendet,

später heute
das journal vom tage;
wollte aber durch die blätter

blättern im herbarium
und blüten lesen
in der blumen tau.

 

37.4.

„ombra mai fu“

noch auf dem sommer vorm balkon
in den himmel gelümmelt.
darüber noch viel wind.

nochmal hoch, angezogen
in die schatten gegenüber,
wo die laublöcher sind

hinter den hecken.
grüne höhlen, gegenübriges,
traut wie fremd. und

ich hoffe, dort – schläfrig –
niemand zu treffen,
als noch diese: im fenster: gegenüber:

(230704)

 

38

„wo aber die angst übermächtig wird, kommt rettung auch“
„in gefahr und großer noth bringt der mittelweg den tod“ (friedrich von logau)

nach den katastrophen-
schau’ ich jetzt bergsteigerfilme,
um zu forschen, in welchem verhältnis „die
mühen der ebenen“, in denen ich mich bewege
seit wochen, anstiege meidend –
flatline, no peaks please! –
zu denen der höhepunkte stehen.

der blick hinauf ins tal aus dem abgrund,
der vom gipfel der bergstraße
herunter auf normal-null des kleinen kiel.
dort schwimmen die enten
und schnattern die kanadagänse.
und der fahrstuhl befördert mich nach oben
ins biwak auf dreizehn meter ü.NN.

(230706)

 

39

ich wohne versuchsweise im hotel,
für eine nacht und nutze die minibar.
vielleicht kann ich hier wieder schreiben.

singen, schwingen, sinken
in der gemieteten fremde
unter dem dreigestirn.

dann doch wieder heim zuhause,
im basislager, wo ich nicht wohne,
aber bin auf dem balkon.

spätsommerabends davor die heimaten
der nachbarinnen mit den minibarfüßen
auf dem balkongeländer unter den sonnenschirmen.

(230709)

 

40

zett be or not zett be,
das ist die frage,
ob ich vom balkon fall’ wie der nachtregen

oder schriebe von der heide
bei lüneburg, südlich jütland,
wo sie jetzt eben nicht grünt,

sondern violett zu blühen beginnt,
also eher à la „blaue blume“.
wobei das mit dem grünen

schon was für sich hat:
als phytoplankton wegen der beruhigung,
anders als blau schon vor dem montag.

(230709)

 

 

41

„Es war einmal ein Kind eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen, und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen. Als es nun ins Grab versenkt und die Erde über es hingedeckt war, so kam auf einmal sein Ärmchen wieder hervor und reichte in die Höhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde darüber taten, so half das nicht, und das Ärmchen kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehen und mit der Rute aufs Ärmchen schlagen, und wie sie das getan hatte, zog es sich hinein, und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde.“

(Gebrüder Grimm)

im scheitelpunkt des halbkreises
der drei bildschirme
um mich:

  • links backup im bildschirmschonermodus,
  • in der mitte brief des zentralkomm!tees
  • an den politbruno rechts im tagesschau.tv,

bin ich: neunundfünfzig.
„ich auch, ich auch!“, plärrt das kind,
irgend zwischen fünf und neun.

„nimm platz auf meinem schoß“,
sag’ ich (neunundfünfzig),
„und schau’ die welt im rund!“

sagt’s kind (ängstlich):
„es ist doch nur ein halbes
rund ist nur die (bess’re) hälfte,

sind ecken dort am radius,
quer ein messer durch
mich mittelpunkt!“

(230711)

 

 

intermezzo für m.

ich dich geküsst nach regeln aller kunst
und wäre gern’ die liebe deines lebens
gewesen wider alles, was vernunft
weiß über das sich so mit dir verwebens.

ich hab’ dich dicht umarmt, du warst so zart,
dass meine arme hinter dir beflügelt
wie engel flatterten auf ihre art
und von der himmelsschar deshalb gezügelt.

wir saßen auf der bank im sommerlicht
gleich nebenan, dass wir die köpfe wanden,
zu sehen uns ins fremde angesicht.

wir suchten nicht, wir wussten und erfanden,
was uns berührte: beide leiber nicht,
der kuss der wellen, die an küsten branden.

(230711)

 

42

wenn der rausch dicht
wird wie dicker nebel
du aber ins frische freie trittst,

wind im gesicht,
regen, der in’n nacken rinnt,
erde, wasser, luft nach all dem feuer.

die verdichtung im rausch
fällt ab wie eine rüstung
und du breitest die arme,

begrüßt dich, orkusschiffer, entronnen,
’ne schippe eis unterm kiel,
im glas erklommen.

(230719)